Billi (Awkwafina, zweite von rechts) hängt sehr an ihrer Oma (Zhao Shuzhen, Mitte).
"The Farewell" könnte als erster Hollywood-Film mit asiatischstämmigen Schauspielern einen Oscar gewinnen.

The Farewell

KINOSTART: 19.12.2019 • Tragikomödie • USA (2019) • 100 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
The Farewell
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
USA
Budget
250.300 USD
Einspielergebnis
22.110.994 USD
Laufzeit
100 Minuten
Regie
Music

Filmkritik

Ein langer Abschied
Von Sven Hauberg

"The Farewell" ist einer der berührendsten Filme des Jahres. Zur Sensation aber könnte er aus einem anderen Grund werden.

Hollywood schreibt sich gerne auf die Fahnen, das gute, das progressive Amerika zu sein. Verächtlich blickt man herab auf Donald Trump und seine Wähler, vermeintlich engstirnige Leute, Rassisten bisweilen. Wie weit es mit der Weltoffenheit Hollywoods aber her ist, musste kürzlich Mena Massoud erfahren. Der junge Schauspieler mit ägyptischen Wurzeln spielte die Hauptrolle in Disneys Milliarden-Erfolg "Aladdin" – und bekam anschließend keine Jobs mehr. "Es gibt nicht viele Hollywood-Rollen für Menschen wie mich", klagte er schon vor Kinostart im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau.

Auch asiatischstämmige Schauspieler haben es schwer in der Traumfabrik. Als im vergangenen Jahr "Crazy Rich Asians" in die Kinos kam, eine Rom-Com voller Hauptdarsteller mit Wurzeln in China, Taiwan und Malaysia, war das eine Sensation. Nicht nur, weil der Film zur erfolgreichsten romantischen Komödie der letzten Jahre wurde, sondern auch, weil sich Hollywood seit "The Joy Luck Club" von 1993 nicht mehr an einen Film mit asiatischem Cast gewagt hatte. Das ist mittlerweile unglaubliche 26 Jahre her. Zuletzt aber tat sich dann doch einiges: "Searching" mit John Cho wurde zum Überraschungserfolg, und mit "Shang-Chi" soll demnächst ein chinesischstämmiger Marvel-Superheld auf die Leinwand kommen. Das Drama "The Farewell" könnte nun gar einen Oscar holen – trotz oder gerade wegen seiner chinesischstämmigen Schauspieler. Denn die sind allesamt fantastisch.

Der Film, einer der berührendsten des Jahres, basiert "auf einer wahren Lüge", wie es zu Beginn heißt. Regisseurin Lulu Wang ("Posthumous"), geboren in China und aufgewachsen in den USA, erzählt eine Episode aus ihrem eigenen Leben, mit Hauptdarstellerin Awkwafina als ihrem Alter Ego. Billi Wang heißt sie, wurde in China geboren, verließ das Land aber als kleines Mädchen mit ihren Eltern. Jetzt lebt die Familie in New York, Billi ist erwachsen und auf der Suchen nach ihrem Platz im Leben.

Schriftstellerin möchte sie werden, doch noch schlägt sie sich mit Gelegenheitsjobs rum. Zurückgeblieben in China sind Billis Oma, von allen nur Nai Nai genannt. Die alte Dame, von Zhao Shuzhen wunderbar gespielt, telefoniert fast täglich mit Billi, und macht sich, wie das Omas auf beiden Seiten des Pazifiks so machen, vor allem Sorgen um ihre Enkelin. Sie solle keine Ohrringe tragen, denn die würden ihr auf den rauen Straßen von New York nur ausgerissen, weiß die weise alte Frau.

Doch Nai Nai ist krank, sie hat Lungenkrebs. Nur noch drei Monate hat sie zu leben, sagt der Arzt zu ihrer Schwester (Lu Hong) im Krankenhaus von Changchun. Nai Nai selbst weiß nichts von ihrem Schicksal, denn die Familie hat beschlossen, ihr die Diagnose zu verschweigen. Wenn man Krebs hat, dann stirbt man sowieso, zitiert Billis Mutter (Diana Lin) ein chinesisches Sprichwort. Woran man sterbe, das sei aber nicht der Krebs, sondern die Angst. "Die Familie hat entschieden, dass es besser so ist", sagt auch der Vater (Tzi Ma). Und in China, wird er später ergänzen, zählt die Familie mehr als der Einzelne.

Um sich von Nai Nai zu verabschieden, reisen Billi und ihre Eltern in ihre alte Heimat. "Bie gaosu ta" – "Sag es ihr nicht", so lautet der chinesische Titel von "The Farewell", und das ist auch das Motto der Familie während ihres Heimatbesuchs. Man trifft sich unter dem Vorwand, dass Billis Cousin Hao Hao (Chen Han) in Changchun seine japanische Freundin Aiko (Aoi Mizuhara) heiraten will, und so kommen alle noch einmal zusammen für ein paar gemeinsame Tage. Mit viel Humor und Situationskomik lässt Regisseurin Lulu Wang ihre Protagonisten dabei allerlei Verrenkungen anstellen, um vor der todkranken Nai Nai ja nicht in Tränen auszubrechen. Das nötige Feingefühl, um eine emotional derart aufgeladene Geschichte zu erzählen, besitzt sie dennoch. Da sagen die kleinen Szenen oftmals mehr als die lauten Momente.

Neben dem Umgang mit der Trauer geht es Regisseurin Wang in ihrem zweiten Langfilm auch darum, über kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West nachzudenken. Und man merkt, dass sie diese Überlegungen lange mit sich herumgetragen haben muss. Da lässt sie bei einem gemeinsamen Abendessen die reiche Verwandtschaft auftreten, die wissen will, wie lange es in Amerika dauert, bis man die erste Million verdient hat. In China, verkünden sie, gehe das heute ganz schnell. Vor allem aber treibt alle die Frage um, wo man hingehört, wenn man zwischen zwei Ländern steht. "Ich bin immer Chinese", sagt Billis Onkel (Jiang Yongbo), der seit Jahrzehnten in Japan lebt. Und Billi selbst? Die muss sich am Ende von "The Farewell" entscheiden, ob sie in China bleiben will oder zurückkehrt in die USA.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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