Die Polizisten Stéphane (Damien Bonnard), Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djebril Zonga, von links) versuchen, im Banlieu für Recht und Ordnung zu sorgen.
"Die Wütenden - Les Misérables" ist für den Oscar als bester internationaler Film nominiert.

Die Wütenden - Les Misérables

KINOSTART: 23.01.2020 • Drama • F (2019) • 102 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Les Misérables
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
F
Laufzeit
102 Minuten

Filmkritik

Wer Unrecht sät, wird Unheil ernten
Von Felicitas Hübner

In Cannes ausgezeichnet, nun für den Oscar nominiert: "Die Wütenden – Les Misérables" ist großartiges sozialkritisches Kino aus einem Pariser Banlieu.

Eine einzige Frau hat in "Die Wütenden – Les Misérables" etwas zu sagen. Sie (gespielt von Jeanne Balibar) ist die Polizeichefin der Einheit für Verbrechensbekämpfung in Montfermeil, einem Ort 20 Kilometer von Paris entfernt. Zu dieser Einheit gehören drei Polizisten. Da ist Chris (Alexis Manenti), ein zynischer gnadenloser Flic, dessen Schreibtisch eine Schweinesammlung beherbergt – von Plüsch bis Hartgummi. Da ist der schöne Gwada (Djibril Zonga), der sich von seiner Chefin im Büro die nackten Beine streicheln lässt. Und da ist Stéphane (Damien Bonnard), der, um seinem Sohn nahe sein zu können, diesen neuen Job unbedingt braucht. Der Film beginnt an Stéphanes ersten Arbeitstag.

Es brennt hinter den Kulissen von Paris, es brennt wieder in den Banlieues, in den Vorstädten. Das Erstlingswerk von Regisseur Ladj Ly zeigt die Armut, die Chancenlosigkeit, das Elend und die Wut der Bewohnerinnen und Bewohner. Der namensgebende Roman "Les Misérables" von 1862 von Victor Hugo wurde einst mit dem Titel "Die Elenden" ins Deutsche übersetzt. Der Stoff wurde auf die Theaterbühne gebracht, Filme und Comics folgten, das gleichnamige Musical erheiterte den Serienmörder Patrick Bateman in Bret Easton Ellis' Roman "American Psycho".

Heiter geht es in Montfermeil nicht zu. In Ausgrenzung und Elend hart gewordene Männer beherrschen das Quartier. Die Polizei kann gar nicht Freund und Helfer sein. Und so kommt es ständig zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihr und den Banden. Die drei Polizisten versuchen, das Milieu zu kontrollieren, doch längst haben sie sich den Gesetzen der Straße ergeben (müssen). Sie könnten nur versuchen, noch Schlimmeres zu verhindern. Doch hierfür sind ihnen Mitgefühl und Solidarität längst verloren gegangen. Der Neue – Stéphane – steckt voller Empathie, doch muss er sich der Übergriffigkeiten von Chris erwehren, der ihn triezt und gängelt.

Die Jugendlichen von Montfermeil versuchen, sich mit ihrer Realität nach ihren Möglichkeiten zu arrangieren. Die einen bilden Gangs wie ihre Alten. Ein anderer – ein Stiller – beobachtet mit seiner Drohne die Mädchen beim Umkleiden. Die gefilmten Mädchen stellen den kleinen Gaffer zur Rede. Auch dabei bleibt er still.

Montfermeil ist der typische Pariser Vorort mit einer endlosen Hochhauswüste, multinationalen Schnellimbissen und heruntergekommenen Skaterplätzen. Die Schule heißt nach Victor Hugo. Die "Mediatoren" des selbst ernannten Bürgermeisters sind in Orange-Westen unterwegs und versuchen, zwischen der Staatsmacht und den Menschen vor Ort zu vermitteln. Die Situation droht zu eskalieren, als das Löwenbaby eines Clan-Bosses gestohlen wird. Auf der Suche nach dem Tier verliert ein Polizist während einer Verhaftung des mutmaßlichen Diebes die Kontrolle über sich. Die Drohne des kleinen Voyeurs fliegt just über ihnen. Die drei Cops stecken in einer üblen Klemme. Ihre Anmaßung, trotz allem das Gesetz sein zu wollen, ist der Ausgangspunkt für ein Inferno voller Selbstermächtigung, Stolz und Wut.

Der Regisseur Ladj Ly, Jahrgang 1980, stammt aus Mali und ist in Montfermeil aufgewachsen. Er weiß, wie die Menschen dort auf einem Pulverfass leben, das jeden Moment in die Luft gehen kann. Ladj Ly weiß aber auch aus eigener Erfahrung, wie alle versuchen, zusammenzuleben und zu vermeiden, dass das Sozialgefüge völlig außer Kontrolle gerät. Er zeigt in seinem Film die kleinen alltäglichen Deals und Arrangements, die die Menschen miteinander treffen, um durchzukommen.

Und er weiß ganz genau, um was es in diesem gemeinsamen Überlebenskampf geht. Es ist kein Sozialkitsch von weit draußen, es ist verdammt gutes künstlerisches wie politisches Kino. Nicht immer gelingen politisch hochambitionierte Projekte auch als Kunstwerke. Wie der Komponist Hanns Eisler sagte: "Überpolitisierung in der Kunst führt zur Barbarei in der Ästhetik." Ladj Ly hat sich als politischer Künstler bewiesen – ästhetisch und authentisch. Bei den Filmfestspielen von Cannes 2019 erhielt er völlig zu Recht den Preis der Jury, nun kann er gar auf den Oscar hoffen.

Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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