Wer dachte, dass der Kalte Krieg schon lange vorbei ist, den könnte "Red Sparrow" eindrucksvoll vom Gegenteil überzeugen. Ein spannender Spionagethriller, der nicht durchgehend die Actionkeule schwingt und genau dadurch so authentisch wird.
Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) ist eine Weltklasse-Ballerina, doch ein tragischer Unfall beendet ihre Karriere abrupt. Sie steht vor dem Aus und kann sich nicht mehr um ihre kranke Mutter kümmern. Ihr Onkel Vanya (Matthias Schoenaerts) erkennt die Not der Nichte und macht ihr ein Angebot, das alle Probleme auf einmal lösen könnte. Ihr Onkel ist allerdings ein hohes Tier beim russischen Geheimdienst und schickt Dominika in ein Ausbildungslager der sogenannten Red Sparrows. Eine Einheit, die durch Verführung und Manipulation an Informationen gelangen will. Bei ihrem ersten Einsatz soll Dominika die erlernten Fähigkeiten bei CIA-Agent Nate Nash (Joel Edgerton) anwenden, um an den Namen eines Maulwurfs in den Reihen des russischen Geheimdienstes zu kommen. Schnell wird klar, dass es um so viel mehr geht – das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Egorova und Nash gerät langsam aber sicher außer Kontrolle.
Eines ist "Red Sparrow" ganz sicher nicht: leichte Kost. Der Streifen versucht nicht, mit überbordender Action à la "Mission Impossible" zu überzeugen, sondern mit einer ebenso faszinierenden wie erschreckenden Geschichte und einem grandiosen Cast. Die 141 Minuten Spielzeit vergehen wie im Flug, und trotz oder vielleicht gerade wegen der sehr reduzierten Action sieht man gerne zu, wie sich das Netz um Vertrauen und Identität immer weiter verzweigt.
Doch ganz ohne drastische Einschnitte kommt auch dieser Film nicht aus – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Regisseur Francis Lawrence streut immer wieder Szenen ein, bei denen man gerne die Augen verschließen möchte. Folter, sei es psychische oder körperliche, wird jeweils im erzählerisch richtigen Moment eingesetzt und zeigt, dass internationale Spionage eben nicht nur aus James-Bond-Charme besteht. Nahe an der Grenze des Ertragbaren setzt Lawrence diese Elemente bewusst aber selten ein und findet so einen Weg, eine Nähe zur Wirklichkeit herzustellen, ohne es aufgesetzt wirken zu lassen.
Francis Lawrence und Jennifer Lawrence (miteinander nicht verwandt oder verschwägert) bildeten schon für die Teile zwei bis vier der "Tribute von Panem"-Verfilmung ein gutes Team. Francis weiß, was in Jennifer an Talenten schlummert, und die Rolle der Dominika, mit all ihren geheimnisvollen Charakterzügen, wirkt ihr wie auf den Leib geschneidert. Der Spagat zwischen verführerischem Spatz und manipulativer Spionin gelingt ihr mit Bravour. Man weiß nie, was sie wirklich im Schilde führt, und so zieht Lawrence dadurch den Zuschauer noch näher an sich heran.
Vor allem im Katz-und-Maus-Spiel mit Nash oder ihrem Onkel Vanya glänzt sie – unterschiedlicher könnte der Umgang mit den beiden starken männlichen Charakteren nicht sein. So sehr Joel Edgerton den charmanten Amerikaner mimt, der durch und durch den Beschützer verkörpert, so gegensätzlich ist Matthias Schoenaerts in seiner Rolle als Onkel Vanya. Die innere Zerrissenheit des Spatzes zwischen den beiden Welten ist so intensiv wie die Machenschaften der beiden Großmächte – faszinierend und irritierend zugleich.
Besonders hervorgehoben werden muss zudem die Verkörperung der Ausbilderin Matron. Charlotte Rampling mimt die russische Offizierin so kalt und hart, dass einem jedes Mal ein Schauer über den Rücken läuft. Absolut großartig! Zwar ist sie vor allem in der ersten Hälfte präsent, hinterlässt aber einen bleibenden Eindruck, der noch lange nach dem Abspann anhält.
In seiner Gesamtheit ist "Red Sparrow" ein Film, der nicht nur durch die großartigen, durchtriebenen und undurchsichtigen Charaktere glänzt, sondern vor allem durch die Balance zwischen Thriller-Momenten und wenigen, aber sehr präsent eingefügten Schmerzmomenten. Er beweist dadurch, dass eine dichte Erzählweise besser funktioniert als leicht verdaubarer Spionage-Action-Einheitsbrei.
Quelle: teleschau – der Mediendienst