Mit ihren geschmeidigen Bewegungen zieht sie die Blicke auf sich, bald wirkt sie knabenhaft vom Körperbau, dann wieder sehr weiblich. Geheimnisvolle Melancholie liegt in ihrem Blick aus grünen Augen, und Nagisa Oshima überschreibt ein Kapitel in dem Bildband über Charlotte Rampling mit dem Titel "Die Trauer des Engels". Charlotte Ramling liebt die provokanten Rollen, fühlt sich von ihnen angezogen. Die Frauen, die sie spielt - und sie spielt mit ihrem ganzen Körper, oft fast ohne Worte - sind oft Gehetzte, Flüchtige.
"Ich liebe es, in meinen Filmen das Alltägliche zu verlassen. Was im Schatten passiert, hat mich immer mehr interessiert, als das, was das Licht offen zeigt. Jemanden zu lieben, heißt ja nicht unbedingt, dass man sich damit einen Idealzustand schafft. Die Frau, die sich in die Hände des Der Nachtportiers begibt, weiß, dass sie niemanden mehr so lieben wird wie ihn. Diese Liebe richtet sie zugrunde. Aber sie will es so."
Sie gehört seit fast drei Jahrzehnten zu den großen Stars des internationalen Films. Man sieht sie an der Seite von Dirk Bogarde in Liliana Cavanis "Nachtportier" (1973), in Woody Allens "Stardust Memories" (1980), sie ist die Partnerin von Paul Newman in "The Verdict - Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit" (1982) von Sidney Lumet. Unter Nagisa Oshima spielt sie in "Max mon amour" (1986) die Geliebte eines Schimpansen (!).
Die Karriere beginnt mit einer kleinen Rolle in Richard Lesters "Der gewisse Kniff" (1964). Dann ist sie ein verruchtes kleines Luder, die Wohnungsgefährtin von Lynn Redgrave in Silvio Narrizzos "Georgy Girl" (1966). Sie spielt die laszive Mrs. Greyle, die in Dick Richards "Fahr zur Hölle, Liebling" (1975) Robert Mitchum alias Philip Marlowe betört. Sie fällt in der kleinen Nebenrolle zwischen Robert De Niro und Mickey Rourke in "Angel Heart" von Alan Parker auf und ist in David Hares "Paris bei Nacht" (1987) eine britische Konservative mit Thatcher-Touch.
Außerdem sieht man sie unter anderem in Roy Boultings "Rotten to the Core" (1965), in Roy Ward Bakers "Irrgarten des Schreckens" (1972) mit Peter Cushing und Herbert Lom, neben Sean Connery in John Boormans Sciencefiction-Abenteuer "Zardoz", neben Michel Piccoli und Jean-Louis Trintignant in "Viva la vie - Es lebe das Leben" von Claude Lelouch (1983), Jacques Demys "Mörderischer Engel" (1985), in Ann Turners "Sommer des Erwachens" (1991), Axel Cortis "Radetzkymarsch" (1994), in "Tödliche Gedanken" (1993) von Robert Bierman, in "Tödliche Umstände" (1996), in "Die Flügel der Taube" (1997), in "Great Expectations" (1999), sowie mit Stellan Skarsgård in "Signs and Wonders", in "Aberdeen", "Unter dem Sand", "Julie - Im Feuer der Unschuld" (alle 2000) und "Spy Game - Der finale Countdown" (2001).
Die Offiziertochter beginnt ihre Karriere als 13-Jährige. Mit ihrer älteren Schwester Sarah tritt sie in Pubs auf. Sie singen und geben kleine Konzerte. "C'est si bon" und "C'est magnifique" waren die Hits der "Colonel Daughters" in den Londoner Suburbs. Vater Colonel Rampling jedoch war von diesem Erfolg wenig begeistert, obwohl er selbst den Ruhm genoss, 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin die Goldmedaille in der 4 X 400 Meter Staffel gewonnen zu haben.
Als die "Colonel Sisters" von einem bekannten Nachtclub unter Vertrag genommen werden, verbietet der Vater das Ganze. Doch Charlotte Rampling schickt Fotos an Schauspiel-Agenturen und erhält Antwort. Roy Boulting gibt ihr eine Rolle, Roman Polanski, der sie für "Wenn Katelbach kommt" (1965) haben will, kommt zu spät. 1972 heiratet sie den Bildhauer Bryan Southcombe (geschieden 1976), seit November 1978 ist sie mit dem Musiker Jean-Michel Jarre verheiratet. Sie hat aus beiden Ehen jeweils einen Sohn: Barnabé (1972) und David (1977).
Weitere Filme mit Charlotte Rampling: "Mit Schirm, Charme und Melone" (TV-Serie), "Der Kampf" (beide 1967), "Sequestro di persona", "Die Verdammten" (beide 1968), "Three", "Target: Harry" (beide 1969), "Fluchtpunkt San Francisco" (1970), "Addio, fratello crudele", "The Ski Bum", "Heinrich VIII. und seine sechs Frauen" (alle 1971), "Corky", "Giordano Bruno - Der Ketzer muss Brennen", "Irrgarten des Schreckens" (alle 1972), "Das Fleisch der Orchidee", "Duell in Vaccares" (beide 1974), "Yuppi du", "Foxtrot" (beide 1975), "Sherlock Holmes in New York" (1976), "Orca - Der Killerwal", "Das Schloss des Tyrannen", "Das malvenfarbene Taxi" (alle 1977), "Infidelities" (1983), "Tristesse et beauté" (1985), "Mascara" (1987), "D.O.A. - Bei Ankunft Mord" (1988), "Rebus" (1989), "Die verlassene Frau" (1992), "Time Is Money" (1994), "Samson le magnifique" (1995), "Asphalt Tango", "La dernière fête" (beide 1996), "Varya" (1999), "My Uncle Silas" (TV-Serie), "Hommage an Alfred Lepetit" (beide 2000), "Wolken - Briefe an meinen Sohn" (Erzählerin in der englischen Fassung), "Der vierte Engel", "Superstition" (alle 2001), "Searching for Debra Winger", "Küss mich, wenn du willst", "La femme piège" (alle 2002), "The Statement", "Dead Simple" (beide 2003), "Immortal", "Die Hausschlüssel" (beide 2004), "Lemming" (2005), "Basic Instinct: Neues Spiel für Catherine Tramell", "In den Süden", "Wir verstehen uns wunderbar!" (alle 2006), "Angel - Ein Leben wie im Traum", "Caótica Ana" (beide 2007), "Babylon A. D.", "Die Herzogin", "Deception - Tödliche Versuchung" (alle 2008), "Fred Vargas: Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord" (2009), "StreetDance 3D", "Rio für Anfänger", "Alles, was wir geben mussten" (alle 2010), "Melancholia", "Charlotte Rampling - The Look", "I, Anna" (2011), "Die Mühle und das Kreuz" (alle 2011), "Nachtzug nach Lissabon" (2012).