Im kleinen Wehbach an der Sieg lebte Barbara Rudnik bis zu ihrem 10. Lebensjahr, ihre Mutter war Näherin, 1968 zog sie nach Kassel. Als Barbara dort am Theater in einer Statistenrolle auftrat, packte sie der Ehrgeiz, Schauspielerin zu werden. Mit 19 Jahren ging sie nach München, besuchte eine Schauspielschule, brach sie aber nach eineinhalb Jahren ab. "Das war zu klassisch, nur Technik, eher eine Verbildung als eine Ausbildung." Als sie in einem Münchner Café jobbte, sprach sie ein Student der Hochschule für Film und Fernsehen an und gab ihr eine Rolle. Es war Jochen Richter, der eine Weile zu den vielversprechenden Regisseuren der deutschen Filmszene zählt. Von da an wurde sie herumgereicht und spielte in einer Reihe von Hochschulfilmen.
Meist war sie die kühle Blonde, nur bei Ute Wieland durfte in dem Film "Talente" ein hässliches, strenges, steifes Mädchen spielen, die noch nie etwas mit Männern zu tun hatte. "Das hat mir richtig Spaß gemacht. Als Filmschauspielerin wird man ja meistens nach Typ besetzt, selten probiert jemand mal etwas aus. Das ist beim Theater ganz anders." 1980/81 sah man sie in München an den verschiedensten Theatern, sie spielte in "Fluchtkampf", in "Woyzeck" und in Shakespeares "Antonio und Cleopatra" Dann besetzte sie Beate Klöckner in "Kopfschuss", das war für Barbara ein Erfolg. 1982 besetzte sie Jochen Richter in "Am Ufer der Dämmerung", 1984 folgen "Treffer" von Dominik Graf und "Tausend Augen" von Hans C. Blumenberg.
Für Blumenberg stand nach "Kopfschuss" fest: "Die Gabriele Lang muss Barbara Rudnik spielen, sie ist die Idealbesetzung, kein anderes Mädchen in Deutschland hat eine solche Kinowirksamkeit." 1985 folgt "Müllers Büro" von Niki List, Jahre später besetzte sie Sönke Wortmann 1997 in "Der Campus". Von vielen Kritikern wurde sie als Entdeckung der letzen Jahre bezeichnet und auch wenn das zu hoch gegriffen ist: Sie ist ein Typ, ihr distanziertes Spiel gab ihr vielseitige Ausdrucksmöglichkeiten - gerade weil sie sich nicht hingebungsvoll, anschmiegsam, voyeueristisch präsentieret. Sie hatte in Blick und Gestus etwas von Lauren Bacall.
Foto: ZDF/Stephan Persch Seit sie zu den Stars des deutschen Films gehörte, sah man sie natürlich häufig im Fernsehen, in Serien wie "Fahnder", "Eurocops", "SOKO", "A.S.", "Faust", verschiedenen Tatort-Folgen und als "Kommissarin". In "Rotlicht" spielte sie 1992 an der Seite von Hanns Zischler und Helmut Zierl eine Lehrerin aus Ost-Berlin, kurz nach der Wende. Für den Kommissar Zierl soll sie einen verdächtigen Russen übersetzen. Der Beginn einer komplizierten Liebesgeschichte. 1993 entstand "Schöne Feindin", bei Nico Hofmann spielte sie 1995 in dem vielfach preisgekrönten Thriller "Der Sandmann" und ein Jahr später in dem eindrucksvollen Dürrenmatt-Remake "Es geschah am helllichten Tag" mit Joachim Król in der Rühmann-Rolle. Und in Dennis Satins "In alter Freundschaft" (1997) sah man sie als undurchsichtige Jugendliebe des Privatdetektivs Georg Wilsberg, der ständig im Stress ist und alle Hände voll zu tun hat, schwierige Fälle zu lösen.
1998 verkörperte die kühle Blonde in dem TV-Krimi "Gefährliche Wahrheit", unter der Regie von Benno Fürneisen die misstrauische Gerichtsmedizinerin Ruth Jacoby. Zeitlebens war der Krimi ihr Metier. Doch auch im Genre des Dramas brillierte die talentierte Schauspielerin: In dem Beziehungsdrama "Mein Leben gehört mir" (1999) spielte sie eine zukunftsweisende Rolle: Erst kriselt es in der Ehe von Hans-Peter Schmidt und seiner Frau Anna, doch dann erkrankt Anna an Krebs. Zu diesem Zeitpunkt unvorstellbar, dass Barbara Rudniks Zukunft ähnlich aussehen sollte.
Im Jahr 2000 ist sie in Wolfgang Murnbergers gelungener Kino-Komödie "Komm, süßer Tod" neben Josef Hader zu sehen und 2002 stellt sie ihr Talent als Brandts Ehefrau Ruth im ARD-Politthriller "Im Schatten der Macht" unter Beweis. Im darauf folgenden Jahr beeindruckt sie die Fernsehzuschauer wieder als Ermittlerin. Wie so oft. In dem Psycho-Krimi "Tod im Park" hinterfragte Regisseur Martin Eigler die polizeiliche Arbeit in der ehemaligen DDR kritisch, Barbara Rudnik überzeugt als Kriminalpsychologin Hannah Schwarz, eine Rolle, die sie in drei weiteren TV-Thrillern ("Solo für Schwarz - Tod im See", "Solo für Schwarz - Der Tod kommt zurück", "Solo für Schwarz - Tödliche Blicke") verkörpern sollte.
Foto: ZDF/Stephan Persch Selbst nach der schockierenden Brust-Krebsdiagnose im Jahr 2005, die ihr Leben von Grund auf veränderte, stand Barbara Rudnik weiter vor der Kamera. In dem 2005 abgedrehten Nachkriegsdrama "Drei Schwestern Made in Germany" gibt sie eine der drei Töchter des Frauenburger Bürgermeisters, die auf eine Hochzeit mit dem amerikanischen Standortkommandanten hofft. "Die Mandantin" (2005) ist der Name des Psychothrillers, in dem die verstorbene Schauspielerin eine an Multiple Sklerose erkrankte Anwältin verkörpert. Auch persönlich eine Herausforderung. Rudnik, die ihre Krebserkrankung bis zum April 2008 vor der Öffentlichkeit geheim hielt, musste sich nun auch beruflich mit dem möglichen Tod auseinander setzen.
Dennoch drehte sie weiter. Der Thriller "Der fremde Gast" (2006), einmal mehr unter der Regie von Marcus O. Rosenmüller, zeigte sie an der Seite von Dominic Raacke, und fünf Folgen lang gab sie in der Thriller-Reihe "Commissario Laurenti" die Ehefrau des Ermittlers alias Henry Hübchen. 2007 schließen sahen die Kinozuschauer sie neben Til Schweiger in "Keinohrhasen" - ihre letzte Kinorolle. Eine Folge der ARD-Krimireihe "Commissario Laurenti - Totentanz" folgte 2009 und ist zugleich einer von Barbara Rudniks letzten Fernsehauftritten. Bei den Dreharbeiten trug sie eine blonde Perücke, um die Zeichen der tödlichen Krankheit zu verbergen.
Seit ihrer Brustkrebs-Diagnose kämpfte die Schauspielerin bis zu ihrem viel zu frühen Tod gegen die Krankheit, zu der sie sich im April 2008 in einem Interview der Zeitschrift "Bunte" öffentlich bekannt hatte. Sie wolle sich nicht länger verstecken und mit ihrem Bekenntnis anderen Menschen Mut machen, erklärte sie einmal. Leider hat sie diesen letzten großen Kampf verloren.
Weitere Filme mit Barbara Rudnik: "Kein Alibi für eine Leiche" (1986), "Camillo Castiglioni oder Die Moral der Haifische", "Original oder Fälschung" (1989), "Für immer jung", "Rotwang muss weg!" (1994), "Das stille Haus", "Der Räuber mit der sanften Hand", "Tatort - Eine todsichere Falle", "Flammen der Liebe" (alle 1995), "Crashkids" (1996), "Der Parkhausmörder" (1996), "8cht" (1997), "Der Schutzengel", "Tatort - Die Kommissarin - Gefährliche Übertragung", "Ferkel Fritz", "Im Atem der Berge - Ein Jahr zwischen Himmel und Hölle", "Tatort - Liebe, Sex, Tod" (alle 1997), "Das Biest im Bodensee", "Sturmzeit", "Solo für Klarinette" (beide 1998), "Doppeltes Dreieck" (1999), "Mädchenhandel - Das schmutzige Geschäft mit der Lust", "Schnee in der Neujahrsnacht" (alle 1999), "Das Geheimnis - Auf der Spur des Mörders", "Nicht heulen, Husky", "Küss mich, Tiger!" (alle 2000), "Ghettokids", "Polizeiruf 110 - Grauzone", "Tatort - Und dahinter liegt New York", "Verdammte Gefühle" (alle 2001), "Tödliches Vertrauen", "Polizeiruf 110 - Abseitsfalle", "Liebling, bring die Hühner ins Bett" (alle 2002), "Der Bulle von Tölz - Der Tölzi", "Tatort - Odins Rache", "Sehnsucht nach Liebe", "Oktoberfest" (alle 2004), "Die Leibwächterin", "Zwei Wochen für uns" (beide 2005), "Commissario Laurenti - Die Toten vom Karst", "Commissario Laurenti - Gib jedem seinen eigenen Tod", "Der fremde Gast" (alle 2006), "Commissario Laurenti - Tod auf der Warteliste", "Keinohrhasen" (beide 2007), "Commissario Laurenti - Der Tod wirft lange Schatten" (2008), "Der Stinkstiefel" (2009), "Lüg weiter, Liebling", "Mörder auf Amrum" (beide 2010).