Die Frau mit der rauchigen Stimme, die ihrer mehr als 50-jährigen Karriere in mehr als 120 Filmen zu sehen war, ist tot. Jeanne Moreau starb am 31. Juli 2017 im Alter von 89 Jahren.
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Jeanne Moreau

Lesermeinung
Geboren
23.01.1928 in Paris, Frankreich
Gestorben
31.07.2017 in Paris, Frankreich
Sternzeichen
Biografie

Sie war eine der ganz großen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts, man spricht von der Moreau wie man von der Garbo und der Dietrich spricht. Als Tochter eines Pariser Hoteliers und einer Engländerin, eines ehemaligen Tiller-Girls wurde sie in Paris geboren. Sie studierte am Pariser Konservatorium, arbeitete von 1948 bis 1952 an der Comèdie Francaise, ging dann an Jean Vilars Theatre National Populaire. Dort wurde sie bekannt mit Tennessee Williams Stück "Die Katze auf dem heißen Blechdach", der Regisseur: Peter Brook.

Aufregend und irritierend

Sie hilft Feuer löschen, die sie selbst gelegt hat, ihre Zigaretten drückt sie in Apfelblüten aus - die 19-jährige Dorfschullehrerin in Kostümen von Pierre Cardin, die sich einem italienischen Holzarbeiter hingibt und ihn hernach der Lynchjustiz preisgibt, diese Rolle in Tony Richardsons Jean-Genet-Adaptation "Mademoiselle" (1965) ist neben der Hausangestellten Celestine in Luis Buñuels "Tagebuch einer Kammerzofe" (1964) die wohl aufregendste und am meisten irritierende Kinofigur, die Jeanne Moreau in ihrer Schauspielerkarriere gespielt hat.

Unkomplizierte Darstellerin mit Ausstrahlung

Ihre Filmkarriere begann 1948 mit Jean Stellis "Letzte Liebe", doch der erste bedeutende Film in dem sie mitwirkte, war Jaques Beckers "Wenn es Nacht wird in Paris". Im schummrigen Bar- und Gangstermilieu des lakonisch charmanten Monsieur Max alias Jean Gabin war sie Josy, die ihren Freund Riton mit dem schönen Angelo (Lino Ventura) betrügt und gleichzeitg zur Verräterin an ihren Freunden wird. Der Profi Gabin erkannte das Talent der jungen Jeanne und förderte sie, obwohl er nur noch einmal, 1955 in "Gas-Oil" von Giles Grangier mit ihr spielte. Der Routinier des französischen Krimis, Henri Decoin, drehte gern mit der Moreau: "Sie hat Ausstrahlung, ist unkompliziert, kostet keine unnötigen Drehtage," so seine sachlich nüchterne Einschätzung.

Bei Decoin, Grangier, Molinaro und anderen war sie eine Weile vorwiegend in Gangsterfilmen zu sehen, doch dann kam eines Tages ein kleiner Mann, der sie für seinen Debütfilm haben wollte: Louis Malle war ein Außenseiter, ein Mann aus gutem Haus mit besten Manieren und gepflegter Sprache, der als Dokumentarist bei Jacques Cousteau begann. Moreau und Malle wurden ein gutes Team, beruflich und privat: Ihr Gesicht, die Bewegungen, die Mimik und sein Geist, sein zivilisierter Anarchismus schaffen hohe Kinokunst. "Fahrstuhl zum Schafott" (1957), Malles Kinodebüt, und "Die Liebenden" kurz darauf stehen am Anfang einer neuen Ära des französischen Films, ein neuer poetischer Realismus - kaum mehr vergleichbar dem von Marcel Carné. Louis Malle machte die Moreau zum Star, es begann ihre große Zeit.

Ein Star in vielen Rollen

Peter Brook, bei dem sie ihre erste große Bühnenrolle gespielt hatte, besetzte sie als Partnerin von Jean-Paul Belmondo in der Marguerite Duras-Verfilmung "Stunden voller Zärtlichkeit" (1960), bei Michaelangelo Antonioni war sie die Partnerin von Marcello Mastroianni in "Die Nacht" (1960) und schließlich spielte sie bei François Truffaut eine ihrer liebenswertesten und schönsten Rollen, die Catherine in "Jules und Jim" (1961) (Oskar Werner und Henri Serre), den Romanhelden von Henri Pierre Roché. Catherine, eine ungewöhnliche Frau, wird von beiden geliebt. Der Deutsche, Jules heiratet sie als die Freunde sich im Ersten Weltkrieg trennen. Nach dem Krieg kehrt Jim zurück, eine "reine Liebe zu dritt" entsteht, doch Catherine welkt dahin, ein dauerndes Glück ist ihr nicht vergönnt: am Ende gehen zwei Menschen in den Tod, der dritte bleibt einsam zurück.

Nicht nur Star

Joseph Losey ("Eva", 1963), Jacques Demy ("Die blonde Sünderin", 1962), Tony Richardson ("Mademoiselle", "Nur eine Frau an Bord", beide 1965) wurden ihre Regisseure, bei anderen war sie nicht nur Star, sondern auch für eine Zeit Lebensgefährtin, so von Truffaut-Schüler Jean-Louis Richard, von Orson Welles, John Frankenheimer, dem Modeschöpfer Pierre Cardin, dem Schriftsteller Peter Handke.

Jeanne Moreau hatte etwas von der frühen Bette Davis, ihre Ausstrahlung war mit der Garbo vergleichbar - und wie diese spielte sie auch die geheimnisvolle Mata Hari - schon für die Garbo eine unglückselige Kinofigur und auch die Moreau war als "Mata Hari - Agent H. 21" (1964) unter der Regie von Jean-Louis Richard nicht sehr glücklich. Aber auch hier gibt es einen unvergleichlichen Moment: Die Eingangsszene, wenn Mata Hari auf der Bühne tanzt, hinter dem Spiel ihrer Finger verbirgt sie die Chiffren für den im Saal anwesenden Agenten.

Nicht nur in Frankreich Karriere

Nach dem französischen Kino eroberte sie auch die britischen, italienischen und amerikanischen Ateliers. Unter Truffauts Regie war Jeanne Moreau immer auf der Höhe ihres künstlerischen Formats. Als Julie Kohler in "Die Braut trug schwarz" (1967) tritt sie mit ihrem frischgebackenen Ehemann aus der Kirche, ein Schuss fällt, leblos sinkt der Mann zu Boden. Doch Julie gibt sich nicht mit stiller Trauer zufrieden: Sie spürt nach und nach die Männer auf, die aus Leichtfertigkeit getötet haben, und bringt sie alle um.

Bei vielen bedeutenden Regisseuren war sie immer wieder eine neue Figur: Das Fräulein Bürstner in Orson Welles' Kafka-Adaptation "Der Prozess" (1962), die Célestine in Luis Buñuels Mirbeau-Verfilmung "Tagebuch einer Kammerzofe", die Doll Tearsheet in "Falstaff" (1965) von Welles und die eine Maria neben Brigitte Bardot in Louis Malles Revolutionsmusical "Viva Maria!" (1965). Immer wieder war sie eine aufregende Schauspielerin, die so unterschiedliche Regisseure faszinierte wie Rainer Werner Fassbinder, bei dem sie in Jean Genets "Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel" (1982) spielte und Wim Wenders - Jeanne Moreau war alles in allem: eine faszinierende Frau und eine brillante Schauspielerin. Am 31. Juli 2017 starb Jeanne Moreau im Alter von 89 Jahren.

Weitere Filme mit Jeanne Moreau:

Die Fünfzigerjahre:
"Klagt mich an!", "Pigalle-Saint_Germain_de-Prés" (beide 1950), "Der Mann meines Lebens" (1951), "Es ist Mitternacht Dr. Schweitzer" (1952), "Im Schlafsaal der großen Mädchen", "Julietta", "Dürfen Frauen so sein?" (alle 1953), "Dämonie des Herzens", "Bartholomäusnacht", "Il letto", "Ein ganzes Leben" (alle 1954), "Das schwarze Gesicht von Paris" (1955), "Hinter verschlossenen Türen", "Hyänen unter sich" (beide 1956), "Einer starb zu früh", "Auf schiefer Bahn", "Du hast noch drei Tage", "Polizeiaktion Dynamit", "Mit dem Rücken zur Wand", (alle 1957), "Gefährliche Liebschaften", "Jovanka und die anderen", "Sie küssten und sie schlugen ihn" (ungenannt), "Opfergang einer Nonne" (alle 1959)

Die Sechzigerjahre:
"Eine Frau ist eine Frau" (1960), "Das Irrlicht", "Heißes Pflaster", "Der Zug", "Die Sieger" (alle 1963), "Der gelbe Rolls-Royce" (1964), "Das älteste Gewerbe der Welt" (1967), "Die große Katharina", "Stunde der Wahrheit" (beide 1968), "Le corps de Diane" (1969

Die Siebzigerjahre:
"Der Boss", "Os Herdeiros", "Monte Walsh", "The Deep" (alle 1970), "Le petit théâtre de Jean Renoir" (TV), "L'humeur vagabonde" (beide 1971), "Alex im Wunderland", "Die Affaire", "Abscenes répétées" (Gastauftritt), "Nathalie Granger" (beide 1972), "Die Ausgebufften", "Joana Francesca", "Jet Set", "Je t'aime" (alle 1973), "Souvenirs d'en France", "Le jardin qui bascule" (beide 1974), "Hu-Man", "Der letzte Tycoon" (beide 1975), "Im Scheinwerferlicht", "Monsieur Klein" (beide 1976), "L'adolecente" (1978, Buch und Regie)

Die Achtzigerjahre:
"Plein sud" (1980), "Your Ticket Is No Longer Valid", "Tausend Milliarden Dollar" (1982), "La truite", "L'Arbre" (beide 1982), "Der Bauer von Babylon" (1983), "Lillian Gish" (Dokumentarfilm, Buch und Regie, 1984), "Le platoquet", "Sauve-toi, Lola", "Das Wunder des Papu", "Le Tirior secret" (TV-Mehrteiler), "The Last Seance" (alle 1986), "Nuit de l'océan" (1988), "Jour après jour" (1989)

Die Neunzigerjahre:
"Nikita", "Alberto und die Tradition", "La femme fardée" (alle 1990), "Bis ans Ende der Welt", "Der zögernde Schritt des Storches", "Anna Karamazoff", "Die Dame, die im Meer spazierte" (alle 1991), "Der Liebhaber" (Erzählerin im Original), "Die Abwesenheit", "A demain", "Ein blühendes Leben", "Flucht aus dem Eis", "Mein Name ist Victor" (alle 1992), "Auf fremdem Felde" (1993), "Hundert und eine Nacht", "Jenseits der Wolken", "Katharina die Große" (alle 1994), "I Love You, I Love You Not", "The Proprietor", "Der Hexenclub von Bayonne" (1996), "Amour et confusions" (1997), "Auf immer und ewig" (1998), "Balzac - Ein Leben voller Leidenschaft" (1999), "Il Manoscritto del principe"

Seit 2000:
"Les Misérables - Gefangene des Schicksals" (beide 2000), "Lisa", "Zaide, un petit air de vengeance", "Diese Liebe" (alle 2001), "Die schrecklichen Eltern" (2003), "Die Zeit die bleibt", "Akoibon", "Le temps qui reste", "Les rois maudits", "Go West" (alle 2005), "Sortie de clown", "La Contessa di Castiglione", "Roméo et Juliette", "Sous les vents de Neptune" (alle 2006), "Chacun son cinéma ou Ce petit coup au coeur quand la lumière s'éteint et que le film commence", "Trennung" (beide 2007), "Ein Schloss in Schweden" (2008), "Fred Vargas: Der vierzehnte Stein" (2009), "Eine Dame in Paris" (2012), "Ein Reisender - Marcel Ophüls" (2012, Dokumentarfilm).

Filme mit Jeanne Moreau

2012
Eine Dame in Paris
Drama
2012
Marcel Ophüls mit der französischen Kino-Ikone
Jeanne Moreau
Ein Reisender - Marcel Ophüls
Dokumentarfilm
2011
La mauvaise rencontre
Drama
2009
Visage
Komödie
2009
Leon und die magischen Worte
Animationsfilm
2009
Josette (Jeanne Moreau) hilft Adamsberg bei dessen
Ermittlungen
Fred Vargas: Der vierzehnte Stein
Krimi
2009
Der Täter
Gaunerkomödie
2008
Ein Schloss in Schweden
Familiendrama
2007
Trennung
Drama
2005
Les rois maudits
Téléfilm historique
2005
Die Zeit die bleibt
Drama
2005
Akoibon
Komödie
2004
Hab mich lieb!
Drama
2003
Tatsächlich ... Liebe
Komödie
2003
Was will der Junge denn? Jeanne Moreau und François Berléand
Die schrecklichen Eltern
Psychodrama
2001
Diese Liebe
Drama
2000
Les Misérables - Gefangene des Schicksals
Historienfilm
1999
Balzac - Ein Leben voller Leidenschaft
Melodram
1994
Katharina die Große
Historienfilm
1994
Macht doch Spaß, oder? Peter Weller und Fanny Ardant
Jenseits der Wolken
Episodenfilm
1994
Also, du bist ein richtiger Kino-Star? Catherine Deneuve und Robert De Niro  
Hundert und eine Nacht
Komödie
1992
A demain
Film
1991
Die Dame, die im Meer spazierte
Tragikomödie
1991
Bis ans Ende der Welt
Roadmovie
1990
Nikita (Anne Parillaud) hat sich in eine
attraktive und elegante Dame verwandelt
Nikita
Thriller
1987
Frantic
Thriller
1987
Das Wunder des Papu
Komödie
1986
Le paltoquet
Krimidrama
1982
Paul Kerjean (Patrick Dewaere, r.) lernt den
Präsidenten (Mel Ferrer) des mächtigen
Unternehmens kennen
Tausend Milliarden Dollar
Politthriller
1982
Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel
Drama
1976
Monsieur Klein
Parabel
1973
Flotter Dreier: Gérard Depardieu, Miou-Miou und
Patrick Dewaere (v.l.)
Die Ausgebufften
Erotikfilm
1970
Der Boss
Gangsterfilm
1968
Virginie (Jeanne Moreau) soll ihrem Mann einen
Nachkommen schenken ...
Stunde der Wahrheit
Drama
1967
Den Bogen überspannt? Jeanne Moreau
Die Braut trug schwarz
Kriminalfilm
1967
Das älteste Gewerbe der Welt
Episodenfilm
1965
Viva Maria!
Abenteuerkomödie
1965
Das Liebesspiel, das ins Verderben führt: Ettore 
Manni erliegt Jeanne Moreaus Charme
Mademoiselle
Drama
1964
Tagebuch einer Kammerzofe
Gesellschaftsporträt
1964
Mata Hari - Agent H. 21
Spionagefilm
1964
Der gelbe Rolls-Royce
Episodenfilm
1963
Der Zug
Kriegsdrama
1963
Das Irrlicht
Psychodrama
1962
Der Prozess
Thriller
1961
Objekt der Begierde: Jeanne Moreau als Catherine
Jules und Jim
Liebesfilm
1960
Stunden voller Zärtlichkeit
Literaturverfilmung
1960
Klar bist du eine Frau! 
Jean-Paul Belmondo bestätigt es Anna Karina
Eine Frau ist eine Frau
Liebeskomödie
1960
Die Nacht
Ehedrama
1959
Sie küssten und sie schlugen ihn
Gesellschaftsdrama
1959
Gefährliche Liebschaften
Literaturverfilmung
1958
Die Liebenden
Liebesfilm
1957
Der Fahrstuhl streikt! Maurice Ronet muss einen
anderen Weg nehmen ...
Fahrstuhl zum Schafott
Kriminalfilm
1955
Gas-Oil
Kriminalfilm
1954
Wenn es Nacht wird in Paris
Gangsterfilm
1953
Julietta
Liebeskomödie

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