Die Geschichte eines bewegten Lebens: Als Sergej Stepanowitsch Tschachotin 1883 in Konstantinopel geboren wird, ahnt niemand, dass aus ihm ein angesehener Mikrobiologie und ein gefeierter Visionär werden sollte. Tschachotin kämpfte nicht nur gegen die russische Revolution, sondern auch gegen den Faschismus und Nationalsozialismus. Dies hatte zur Folge, dass er in seinem Leben ein Getriebener blieb, der Freund Einsteins lebte in Russland, Deutschland, Dänemark, Frankreich und Italien und kehrte erst nach seiner Rehabilitierung 1953 nach Moskau zurück, wo er 1973 im Alter von 90 Jahren starb. Doch bis heute ist die Urne mit den Überresten Tschachotins nicht beigesetzt, denn seine Söhne (Sergej war fünf Mal verheiratet und hatte insgesamt acht Söhne) sind zerstritten und konnten sich nicht über eine Beerdigung einigen ...
Filmemacher Boris Hars-Tschachotin, ein Urgroßenkel von Sergej Tschachotin, begibt sich hier auf die Spuren seines Ahnen, dessen letzter Wille es war, auf der französischen Insel Korsika die letzte Ruhestätte zu finden. Doch die zum Teil zerstrittenen Söhne Tschachotins - die Brüder Wenja, Eugen, Andrej und Petja sprechen hier erstmals vor der Kamera über ihren Vater - konnten sich bisher nicht über die Erfüllung dieses Wunsches einigen. Eine bislang unveröffentlichte Autobiografie Sergej Tschachotins wird in Auszügen von Ulrich Matthes gesprochen, Regisseur Hars-Tschachotin zeigt dazu Bilder aus dem Leben seines Protagonisten und stellt diesen Ereignisse aus dem Leben der Söhne entgegen. "Sergej in der Urne" ist deshalb nicht nur das Porträt eines außergewöhnlichen Mannes, sondern in Verbindung mit den Geschichten seiner Zeit ein beeindruckendes Dokument europäischer Gesellschafts- wie Familiengeschichte, das auf dem auf dem Münchner Dokumentarfilmfest 2010 als bester deutscher Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
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