Großer britischer Bluesman aus einer Roma-Familie, die fast mittellos am Stadtrand von London hauste: Ron Wood hatte keine leichte Kindheit. Sein Vater und die beiden älteren Brüder brachten ihn früh mit Alkohol, aber auch mit einer großen Liebe für die Musik in Berührung.
Altes Gesicht, feine Hände: Regisseur und Altergenosse Mike Figgis ("Leaving Las Vegas") widmet dem Rolling-Stones-Gitarristen und Maler Ron Wood ein intimes Porträt.

Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me

KINOSTART: 09.07.2020 • Dokumentarfilm • GB (2019) • 72 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
GB
Laufzeit
72 Minuten
Regie

Filmkritik

Porträt eines Berührbaren
Von Eric Leimann

Regisseur Mike Figgis ("Leaving Las Vegas") ist mit "Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me" ein kurzes, aber wunderbar intimes Porträt des Rolling-Stone-Gitarristen gelungen.

"70 zu sein ist so surreal, als wäre ich in einem Dalí-Gemälde ... die Zeit ist so schnell vergangen." Wunderbar persönliche Sätze wie diesen hört man öfter im Film von Regisseur Mike Figgis über seinen Altersgenossen Ronnie Wood. Nur ein halbes Jahr sind die beiden Männer, der "Leaving Las Vegas"-Regisseur Figgis und der Rolling-Stones-Gitarrist und Bassist Wood, auseinander. Wood ist im Juni 1947 geboren, Figgis im Februar 1948. Beide widmeten ihr Leben früh der Musik. Ron Wood spielte in so ziemlich allen britischen Bands, die in den 60-ern und 70-ern aufregend waren und ihr Fundament im Blues hatten: Birds, Jeff Beck Group, (Small) Faces und natürlich Rolling Stones. Doch auch Filmemacher Figgis begann als Musiker. So spielte er ab 1968 mit Bryan Ferry in der britischen R&B-Band The Gas Board, eher er sich später Theater und Film zuwandte. Figgis erster Film als Drehbuchautor und Regisseur war "Stormy Monday" (1988), in dem Sting einen Jazzclub-Besitzer spielt.

Als Meister derartiger Querverbindungen schafft es Figgis auch in seinem Musikerporträt "Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me" schnell, eine Atmosphäre zu erschaffen, als würde man einen in die Jahre gekommenen, alten Freund treffen, und kein Gespräch mit dem Gitarristen der berühmtesten noch aktiven Legenden-Band der Welt führen. Das titelgebende Zitat "Somebody Up There Likes Me" fällt gleich zu Beginn. Wood erzählt, wie ihm nach 50 rauchenden Jahren mit 25 bis 30 Zigaretten am Tag ein vom Krebs zerfressener Lungenflügel entfernt wurde. "Der Krebs hatte nicht gestreut. Und sie haben ein Lungenemphysem gefunden, das im gleichen Flügel saß. Danach dachte ich: Dies ist jetzt wie ein Freispiel für mich." Seit zehn Jahren, sagt der über Jahrzehnte schwerst drogenabhängige Wood, sei er clean und trocken. Seine deutlich jüngere Frau, sie ist in einem kürzeren Interview zu sehen, und die beiden Zwillingstöchter im Kindergartenalter dürften sich darüber freuen.

Wenn sich Ron Wood und Mike Figgis im Atelier des Gitarristen, der auch ein anerkannter Maler ist, unterhalten, wird schnell deutlich, dass sich hier zwei Männer auf Augenhöhe treffen. Man hat viel erreicht, ebenso viel ist in die Brüche gegangen, die 70 sind passiert. Nun geht es ans Eingemachte, um die letzten Wahrheiten und darum, das Richtige zu tun und zu genießen. Dass Ron Wood, der so leichtfüßig und von der Kunst getrieben durch sein Atelier tigert, als wäre er 30, ein überaus berührbarer Typ ist, den man einfach mögen muss, ist natürlich ein Glücksfall für den Film. Andererseits muss man eine solche Atmosphäre auch erst mal herstellen. Selbst Woods berühmte Bandkollegen Mick Jagger und Keith Richards, die in der zweiten Filmhälfte das Set betreten, wirken in ihren Interviews irgendwie nahbarer und authentischer als in üblichen Hochglanz-Dokumentationen über die Stones.

In Hälfte eins von "Somebody Up There Likes Me" erfährt man viel über das Elternhaus und die frühen musikalischen Jahre Woods, der aus einer mittellosen Roma-Familie am Stadtrand von London stammt, in der immer viel Alkohol konsumiert wurde. Akribisch werden Musikerbeziehungen und Bluesrock-Modelle der 60-er besprochen und vorgeführt, ehe in Hälfte zwei der Drogenwahnsinn rund um die Stones mehr Raum erhält. Vor allem Ron Wood und Keith Richards, die immer gute Freunde waren, haben alles genommen, was ihnen unter die Finger kam. "Ronnie hat ein tolles Immunsystem", sagt Keith Richards, "und eine hohe Schmerzgrenze." Er – also Wood – sei der Zähere von ihnen beiden, sagt Richards, der doch selbst als lebendig mumifizierter Rock'n'Roll-Wahnsinn gilt. Doch irgendwann, so Wood, brachte ihn der Multi-Rausch aus Koks, Alkohol, Pillen und Heroin nicht mehr weiter. "Das Kokain funktionierte nicht, das Trinken nicht. Da musste ich etwas ändern."

"Bist du eine Suchtpersönlichkeit, oder bist du einfach süchtig geworden", fragt Figgis. "Darüber habe ich viel nachgedacht", antwortet sein Gegenüber. "Vielleicht mag ich die Dinge einfach zu sehr." Tatsächlich spricht Ron Wood über sich selbst genau so wie andere über ihn. Er ist einer, der immer gut drauf ist, der unfassbar viel Energie hat. Die Small Faces, bei denen der begnadete Bluesgitarrist vor den Stones mit Rod Stewart spielte, galten als die vielleicht beste Partyband der Welt. Die Party scheint Ron Wood ins Genom geschrieben – und doch wirkt der Mann mit dem markanten Gesicht dabei nie flach, abweisend oder oberflächlich.

In der längsten Musikszene des Films sieht man eine Liveversion des Rolling Stones-Songs "When The Whip Comes Down". Über fast fünf Minuten, eigentlich eine dramaturgische Ewigkeit in einem nur gut 70 Minuten langen Film, lässt Mike Figgis Bluesgitarren übereinander herfallen und miteinander verschmelzen. Trotzdem ist der XXL-Mitschnitt eine der besten Momente in dieser schönen Dokumentation, weil sie die Besessenheit Woods und seiner Mitstreiter für die Musik zeigt. Ihre Passion und der Wahnsinn ihres Lebens fand nie im luftleeren Starraum statt, sondern immer auf der Grundlage einer großen Liebe für ihren Sound. Feiern wir die Legenden, solange sie noch spielen, das scheint einem "Somebody Up There Likes Me" zuzurufen. Dass die Legenden auch und vor allem Menschen sind, ist jedoch der noch berührendere Aspekt dieses Films.

Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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