Ausnahmeregisseur Mamoru Hosoda kehrt mit seinem neuesten Animationsfilm in die Kinos zurück – und fesselt das Publikum abermals mit einem herzberührenden, visuell außergewöhnlichen Abenteuer.
Für Kun sind die Tage der kindlichen Unbeschwertheit quasi vorbei – dabei ist der kleine japanische Junge gerade mal vier Jahre alt. Schuld ist die Ankunft eines neuen Familienmitglieds: Seine Schwester Mirai (zu Deutsch: Zukunft) ist gerade auf die Welt gekommen, und Mama und Papa schenken der Kleinen ihre volle Aufmerksamkeit. Dabei kommt Kun oft zu kurz – das schmeckt dem nervigen Racker überhaupt nicht. Wie soll er sich mit der neuen Situation bloß abfinden? Im hauseigenen Garten kommt es dann zu einer fantastischen Begegnung: Kun trifft auf eine Teenagerin, die sich als seine Schwester Mirai vorstellt. Sie stammt aus der Zukunft und bittet Kun um Hilfe – wird der große (kleine) Bruder Verantwortung übernehmen?
"Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft" ist der neueste Anime von Regisseur Mamoru Hosoda und reiht sich nahtlos in das bisherige Werk des Filmemachers ein: Einmal mehr zelebriert der Regisseur den Wert der Familie und die Möglichkeiten des Animationsfilms. Nach dem Tod von Isao Takahata ("Die letzten Glühwürmchen") und Spekulationen über Hayao Miyazakis ("Chihiros Reise ins Zauberland") baldiges Karriereende kursiert immer wieder die Frage, wer denn nun die legitimen Nachfolger der zwei Ausnahmekünstler sind. Zum einen natürlich Makoto Shinkai, der mit seinem Meisterwerk "Your Name. – Gestern, heute und für immer" den erfolgreichsten Anime aller Zeiten schuf. Und zweifellos eben auch Mamoru Hosoda, bekannt für außergewöhnliche Animationsfilme wie "Summer Wars" und "Ame & Yuki – Die Wolfskinder". Mit "Mirai" war er in diesem Jahr sogar erstmals für einen Oscar nominiert – und das völlig zu Recht.
Schon immer war es Hosodas große Stärke, mittels eigenwilliger Ideen aus den Bereichen Fantasy und Science-Fiction das Heranwachsen seiner Helden auf originelle Art und Weise zu erzählen und zu bebildern: mal anhand von Zeitreisen, mal über Abenteuer in der virtuellen Realität, ein andermal durch Gestaltwandler oder eine magische Parallelwelt. In "Mirai" vermengt Hosoda nun all dies zu einem großen Ganzen. Die Handschrift des Regisseurs ist dabei unverkennbar: Erneut steht die Familie im Zentrum der Handlung, zudem zitiert Hosoda sogar an vielen Stellen seine vorherigen Filme.
Manchmal etwas anstrengend, aber ein visueller Augenschmaus
Fantastische, gar surreale Elemente finden daher auch in "Mirai" ihren Weg in die reale Welt des kleinen Kun, der im Laufe der Handlung nicht nur seiner gealterten Schwester, sondern auch seinem Hund in Menschengestalt und seinem Ur-Opa als jungem Mann begegnet. Hat Kun seine Abenteuer lediglich geträumt? Hosoda lässt das weitgehend offen, liefert jedoch genügend Anhaltspunkte zur Interpretation. In jeder Geschichte steckt ein Funken Wahrheit.
So oder so versinnbildlichen Kuns märchenhafte Abenteuer seine persönliche Entwicklung: Der Stöpsel findet sich in einer irritierenden neuen Situation wieder und muss erstmals aktiv um die Aufmerksamkeit seiner Eltern kämpfen. Die sind mit der Situation ebenfalls heillos überfordert – vor allem, weil Mama wieder arbeiten möchte und Papa versucht, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Hosoda begegnet seinen Figuren mit viel Empathie und zeichnet die alltäglichen Katastrophen realitätsgetreu nach. Natürlich ist Kun dabei nicht immer sympathisch, sondern oftmals quengelig und egoistisch – so wie Kleinkinder nun mal sind. Das macht "Mirai" mitunter anstrengend und manchmal etwas holprig. Doch Hosoda spielt auch diesmal seine Stärken aus, indem er für große Emotionen und einen visuellen Augenschmaus sorgt. Seinen klassischen 2D-Zeichentrickfilm hat er dafür immer wieder mit computeranimierten 3D-Effekten durchzogen. "Ich wollte das unlimitierte Potenzial der Animation nutzen, um die Grenzen des Kinos auszudehnen", so der Regisseur. Das ist ihm eindrucksvoll gelungen.
Hosoda sinniert in "Mirai" mithilfe seiner kindlichen Hauptfigur darüber, was es heißt, seinen Platz in der Welt zu finden und sich seiner Rolle in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst zu werden. So wie für die Züge, die Kun so sehr liebt, geht es auch für ihn unaufhaltsam (in der Zeit) voran. Erwachsenwerden und Familiengründung, so scheint es Hosoda dem Publikum mitteilen zu wollen, sind harte Arbeit. Doch sie lohnt sich – denn was wären wir ohne Familie?
"Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft" ist am Dienstag, 28. Mai, bereits in ausgewählten Kinos zu sehen, bevor der Film dann ab Donnerstag, 30. Mai, regulär in den deutschen Lichtspielhäusern startet.
Quelle: teleschau – der Mediendienst