Bloß nicht lächeln: Claudia Michelsen und
Sylvester Groth heben Magdeburgs rechte Szene aus
den Angeln
Bloß nicht lächeln: Claudia Michelsen und
Sylvester Groth heben Magdeburgs rechte Szene aus
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Polizeiruf 110

KINOSTART: 01.01.1970 • Krimi • Deutschland (2013)
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Produktionsdatum
2013
Produktionsland
Deutschland

Brasch heißt sie, die Ermittlerin am neuen "Polizeiruf 110"-Schauplatz Magdeburg. Einen Vornamen hat sie auch, ­Doreen, aber den wird man selten oder nie zu hören bekommen. Brasch genügt. Brasch ist ein großes Solo für die Schauspielerin Claudia Michelsen. Gewiss, auch Brasch hat einen Partner, das ist in deutschen Fernsehkrimis so üblich. "Zwei Jünger zogen nach Emmaus", heißt es bei Lukas. Der zweite Mann heißt hier Jochen Drexler und wird von Sylvester Groth gespielt. Man tritt Claudia Michelsen hoffentlich nicht zu nahe, wenn man sagt, dass Sylvester Groth schauspielerisch von anderem Kaliber ist. Ein bisschen fühlt man sich an die Leipziger Tatort-Folgen erinnert, wo Martin Wuttke brilliert und Simone Thomalla von der Kamera bemuttert wird.

Groth ist großartig und darf trotzdem nicht an Michelsen vorbei. Ihm steht das Leid eines altgedienten Kriminalen ins Gesicht geschrieben, der sich nach der Decke wechselhafter Gesetzesauslegung strecken musste und von der Zukunft nichts Besseres erwartet. Und dann beginnt die Zukunft damit, dass er mit Michelsen, pardon Brasch zusammenarbeiten muss. Brasch kurvt sehr rasant auf einem Motorrad, das nicht der Schnapsglasklasse angehört, durch Magdeburger Industriebrachen und kippt sich Wodka aus ­knobel­bechergroßen Gläsern hinter die Binde. In ihrem ersten Fall, zu dem Groth wie gesagt nur seine Sorgenmiene beitragen darf sowie ein paar Französischbrocken, stößt Brasch auf einen Mordverdächtigen, mit dem sie mal was hatte. Spielt das eine Rolle? Nicht für sie. Auch den nächsten Verdächtigen kennt sie. Es handelt sich um ihren Sohn Andi (Vincent Redetzki), der von seiner Polizistenmutti rein gar nichts mehr wissen will und in der rechten Szene ein Zuhause gefunden hat. Richtig, dem Zuschauer fällt es wie Schuppen von den Augen: Das hier soll Magdeburg sein. Also geht es, als ob das zwingend sein müsste, ziemlich rechtsaußen zu, mit vollem Tattooprogramm und Sprücheklopfereien. Noch ein Klischee gefällig? Kein Problem. Nehmen wir den Rechtsanwalt Walser (Peter Benedict), der in Magdeburg offenbar der einzige seiner Profession ist. Wen auch immer Brasch auf dem Kieker hat, Walser vertritt ihn und bahnt der legalen Ungerechtigkeit den Weg. Aalglatt. So sieht man sie gern, die Herren Rechtsverdreher.

Regisseur Friedemann Fromm hat mit "Der verlorene Sohn" in öffentlich-rechtlich finanzierter Familienproduktion (sein Bruder Christoph durfte das Drehbuch schreiben) einen Polizeiruf ans Elbe-Ufer gespült, der so gar nicht zum gewohnt hohen Niveau dieser Reihe passen will. Selbst die eingefleischtesten Tatort-Freunde, die in Deutschland bekanntlich nach Millionen zählen, respektieren das Rostocker Polizeiruf-Paar Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner als Nonplusultra des Krimis am Sonntagabend. Im Gegensatz zu den Slapstick-Komödien aus Münster verbinden sie das kriminelle Unterfutter der Handlung mit dem persönlichen Drama ihrer Charaktere. Der Krimi als schöne Kunst. Die Spannung ergibt sich auch aus der brüchigen, wenn nicht absturzgefährdeten Privatsphäre der Helden. Vor 14 Tagen lief ein von Leander Haußmann grandios in Szene gesetzter Polizeiruf ("Polizeiruf 110 - Kinderparadies"). Er übertrug die Düsternis von Fassbinders "Berlin Alexanderplatz" auf ein Schwabing, in dem sich Besserverdiener-Eltern als zu schwach für ihre gutgemeinten Ambitionen erwiesen. Für ihre Kinder wollten sie nur das Allerbeste und bereiteten ihnen die Hölle. Regen prasselte wie am Jüngsten Tag, Kinderaugen weiteten sich vor Angst und Faszination. Klaus Doldingers minimalistisch angeschrägte Akkorde stimmten auf eine noch unbestimmte Katastrophe ein. Ein Polizeiruf vom Feinsten. Der Brandt ging um, Matthias Brandt. Kein gemütlich zusammengeschusterter Tatort mit Trockenfutter-Kommissarinnen vom Schlage Folkerts oder Furtwängler, sondern Kinotauglichkeit mit Kunstverdacht.

Kunstverdacht kann auch als Vorwurf dienen. Jeder Versuch, aus dem Reigen der Vorhersehbarkeit auszubrechen, wird mit dieser wortgewordenen Abwehrgeste bedacht. Sonntags möchte sich das Publikum an vertrauten Gesichtern und schmerzfreien Verbrechen laben, egal ob die Logik knarzt und die Witze dümpeln. Nur keine Filmkunst! In dieser Hinsicht wurde Polizeiruf 110 oft zum Störfaktor. Erinnert sich jemand an Uwe Steimle und Henry Hübchen? Wunderbare Typen, denen von 2003 bis 2005 leider nur ein kurzes gemeinsames Intermezzo gegeben war. Verloren in den Weiten des mecklenburgischen Raumes umwehte sie ein Hauch von Absurdität. In mindestens einer Folge fehlte sogar das Verbrechen. Klar, dass sie abgesetzt wurden. Die bisher sechs Fälle für Matthias Brandts Kommissar Hanns von Meuffels wurden alle in voller Kunstabsicht gedreht. Das kann gut- oder schiefgehen, bricht aber zuverlässig mit den Volkstheater-Stereo­typen des Tatorts. Vom neuen Polizeiruf lässt sich das nicht sagen. Schade. Claudia Michelsen und Sylvester Groth hätten Besseres verdient. Der Zuschauer erst recht. Detlef Hartlap

Foto: MDR/Julia Terjung

Darsteller

Max Hegewald

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