Schauspieler, die nicht schön sind, aber gut, die nennt man gerne Charakterdarsteller. Der Brite Eddie Marsan ist nicht schön. Aber ein herausragender Schauspieler. Das bewies er etwa in der Zusammenarbeit mit Regisseur Mike Leigh, der für seine fein beobachteten Sozialdramen bekannt ist. Das dreifach Oscar-nominierte Drama "Vera Drake" (2004) ist ein Beispiel für diese gelungene Zusammenarbeit. Marsan rührte das Publikum als einsame Seele, die sich nach Liebe sehnt. Ein anderes Beispiel, ein viel schrilleres und bunteres allerdings, ist "Happy-Go-Lucky" (2008). Hier überzeugte Edward Maurice C. Marsan, so sein voller Name, als paranoider Fahrlehrer. Ganz nebenbei tritt er immer wieder in Hollywood-Blockbustern auf. Nicht als Held freilich. Als Charakter natürlich.
"Ich denke manchmal, dass ich ein Superstar wäre, wenn ich Oxford oder Cambridge besucht hätte und wie ein stattlicher junger Mann aus einem Evelyn-Waugh-Roman aussehen würde." Eddie Marsan hat nicht studiert. Seine Ohren und die Nase sind etwas groß geraten, er selbst wiederum recht klein. Aber der Engländer kann mit seinem "Schicksal" leben und erkennt Vorteile darin, nicht wegen guter Schule oder guten Aussehens entdeckt worden zu sein: "Ich habe die Schauspielerei ganz anonym gelernt. Als mich die Zuschauer zu Gesicht bekamen, wusste ich bereits, was ich da machte. Die Jahre zuvor war ich echt schlecht, aber das bekam keiner mit."
Eddie Marsan wurde 1968 im Londoner East End als Sohn eines Lkw-Fahrers geboren. Nach einer Druckerlehre entschied er sich für die Schauspielerei. 1991 machte er seinen Abschluss an der Londoner Mountview Academy of Theatre Arts. Ein Jahr später sammelte der Jungmime erste TV-Erfahrungen, doch erst Mitte der Neunziger wurde er als stümperhafter Bankräuber in der BBC-Sitcom "Game On" in seiner Heimat richtig bekannt.
Dann ging alles sehr schnell: 1997 folgte der erste Auftritt in einem Hollywood-Film. Okay, "Agent Null Null Nix" war nicht gerade ein Meilenstein der Kinogeschichte und als britisch-amerikanische Koproduktion auch kein reines Hollywood. Aber ohne Frage war die Agentenparodie witzig und originell. Und der Bursche aus dem armen Londoner Osten hatte seinen Fuß in einer Tür, die zur großen Karriere führt. Er nahm ihn auch nicht mehr heraus. In Eddie Marsans Hollywood-Filmografie finden sich heute Hochkaräter wie "Gangs of New York" (2002), "21 Gramm" (2003), "V wie Vendetta", "Mission: Impossible III", "Miami Vice" (alle 2006), "Hancock" (2008), Guy Ritchies "Sherlock Holmes" (2009) und Steven Spielbergs "Gefährten" (2011).
Würde man Eddie Marsan deshalb als Hollywood-Star bezeichnen? Sicher nicht. Sein schauspielerisches Können begeistert zunächst vor allem die Profis, die Kritiker. In seiner Vitrine stehen viele Auszeichnungen mit der Aufschrift "Critics Award". Ein Oscar findet sich hier noch nicht. Aber es kann nicht mehr lange dauern, bis einer dazukommt. Denn auf Dauer können Eddie Marsans große Nase und die großen Ohren seine außergewöhnliche Klasse nicht verdecken.
Weitere Werke mit Eddie Marsan: "The Comic Strip Presents..." (Seirie, eine Folge, 1988), "The Piglet Files" (Serie, eine Folge, 1992), "The Bill" (Serie, vier Folgen, 1992 - 1996), "EastEnders" (Serie, eine Folge), "Casualty" (Serie, eine Folge), "Game-On" (Serie, eine Folge, alle 1996, "Grange Hill" (Serie, drei Folgen, 1996 - 1998), "Short Sharp Shocks" (Serie, 1996), "More Is Less" (Kurzfilm), "Get Well Soon" (Serie, fünf Folgen), "Kavanagh QC" (Serie, eine Folge), "B. Monkey", (alle 1997), "Schuld und Sühne", "You Are Here" (beide 1998), "Lover oder Loser", "Plastic Man", "Janice Beard 45 WPM", "Das Auge des Gesetzes", "Mad Cows" (alle 1999), "Peaches", "Gangster No. 1", "The Mrs. Bradley Mysteries" (Serie, eine Folge), "The Vice" (Serie, zwei Folgen), "Monkey King - Ein Krieger zwischen den Welten" (alle 2000), "The Emperor's New Clothes" (2001), "The Bunker - Der Feind ist nicht dort draußen" (2001), "Post" (Kurzfilm), "Judge John Deed" (Serie, eine Folge), "Celeb" (Serie, eine Folge) , "Ultimate Force" (Serie, eine Folge, alle 2002) "AfterLife", "Charles II: The Power & the Passion" (Serie, eine Folge), "Grass" (Serie, drei Folgen), "Cheeky" (alle 2003), "Gerichtsmediziner Dr. Leo Dalton - Nur der Tod kennt jeden Namen", "Caught In The Act", "The Rocket Post", "Coming Up" (Serie, eine Folge) "Quite Ugly One Morning" (alle 2004), "Shadow Of The Sword", Friends & Crocodiles", "Das geheime Leben der Worte", "Pierrepoint", "Beowulf und Grendel", "The New World" (alle 2005), "Sixty Six", "The Illusionist" (beide 2006), ", "Grow Your Own" (beide 2007), "God On Trial", "Richard Hasenfuß", "Ich & Orson Welles", "Little Doritt" (Serie, 11 Folgen) "The 39 Steps" (alle 2008), "Yorkshire Killer 1974" und "Yorkshire Killer 1980" (zwei Folgen der so genannten "Red Riding"-Trilogie), "Spurlos - Die Entführung der Alice Creed", "Heartless" (alle 2009), "Merlin - Die neuen Abenteuer" (Serie, eine Folge), "The Sarah Jane Adventures" (Serie, zwei Folgen), "London Boulevard", "Man And Boy" (Kurzfilm), "Dive", "Der Kuss des Sandmanns", "Die Tränen des Mörders", "Moby Dick" (alle 2010), "Tyrannosaur", "Junkhearts", "Sherlock Holmes: Spiel im Schatten" (alle 2011), "Running Jump" (Kurzfilm von Mike Leigh), "I, Anna" (2011), "Jack The Giant Killer", "Snow White & the Huntsman" (alle 2012), "Jack and the Giants", "The World's End", "Drecksau" (alle 2013).