Dass er ein Leinwandmagier mit blühender Fantasie ist, stellte Guillermo del Toro schon mehrfach unter Beweis. Etwa in "Pans Labyrinth", einer Mischung aus Historiendrama und düsterem Märchen, das sich mit der Repression in der Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg befasst. Immer wieder gelingt es dem mexikanischen Regisseur und Drehbuchautor, aufregende Kinowelten zu entwerfen und diese in bedrückende historische Kontexte einzubetten. Auch sein jüngster Streich, "Shape of Water – Das Flüstern des Wassers", der 2017 bei den Filmfestspielen von Venedig seine Uraufführung feierte und dort mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, vermischt auf bestechende Weise fantastische Elemente und filmgeschichtliche Referenzen mit einem beklemmenden realen Hintergrund.
Anfang der 1960er-Jahre führt die stumme Putzkraft Elisa Esposito (Sally Hawkins) ein eintöniges Leben. Gemeinsam mit ihrer redseligen Kollegin Zelda Fuller (Octavia Spencer) geht sie gewissenhaft ihrer Arbeit in einer geheimen Forschungseinrichtung der US-Regierung nach, in die eines Tages ein mysteriöses Wasserwesen (Doug Jones) verschleppt wird. Während Sicherheitschef Richard Strickland (Michael Shannon) das fremdartige Geschöpf regelmäßig foltert, knüpft Elisa ein enges Band zu der erstaunlich einfühlsamen Kreatur, die die Amerikaner im Wettstreit mit der Sowjetunion als Versuchskaninchen missbrauchen. Als das Leben des Amphibienmannes auf dem Spiel steht, beschließt die inzwischen verliebte Reinigungskraft, den Gefangenen zu befreien, und setzt dabei auf die Hilfe ihres Nachbarn Giles (Richard Jenkins).
Behutsam, eindringlich und ungemein berührend
Es sind die Außenseiter, die an den Rand Gedrängten, denen del Toros Sympathien zufliegen. Elisa, die mit ihrer Umwelt durch Gebärdensprache kommuniziert, findet in dem sensiblen Wassermann eine verwandte Seele und begegnet ihm mit einer erfrischenden Unvoreingenommenheit. Die Angst vieler Menschen vor dem Unbekannten ist der Putzfrau gänzlich fremd. Vielmehr fühlt sie sich magisch angezogen von dem ungewöhnlichen Wesen, dessen Erscheinungsbild sicher nicht zufällig an das Geschöpf aus dem Monsterklassiker "Der Schrecken vom Amazonas" erinnert.
Behutsam, eindringlich und ungemein berührend fängt der Film die langsame Annäherung ein, wobei vor allem die bis in kleinste Gesten hinreißende Performance der Hauptdarstellerin lobend zu erwähnen ist. Elisas wachsende Sehnsucht bringt Sally Hawkins ohne sprachliche Mittel treffend auf den Punkt und hätte 2018 sicher große Chancen auf einen Oscar, wenn nicht auch Frances McDormand für ihre grandiose Darbietung in "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" zur Auswahl stünde.
"Shape of Water – Das Flüstern des Wassers" erzählt eine betörende Geschichte über Liebe, Vertrauen, Freundschaft und Toleranz, in der das vermeintliche Monster weitaus menschlicher erscheint als viele andere Figuren. Als wahres Scheusal entpuppt sich sehr früh der Sicherheitsleiter Strickland, der in Michael Shannons fiebriger Interpretation ein ums andere Mal für schweißnasse Hände sorgt. Del Toro und Koautorin Vanessa Taylor ("Die Bestimmung - Divergent") balancieren emotionale Momente, Nervenkitzel und Komik weitestgehend überzeugend aus und schaffen es zudem, die angespannte Stimmung während des Kalten Krieges greifbar werden zu lassen. Eine Zeit des absurden Wettstreits, in der selbst ein eigentlich harmloses Wassergeschöpf zum Politikum wird.
Traumhaft schöne Impressionen
Der Genre-Mix beeindruckt auch deshalb, weil der mexikanische Regisseur – wie so oft – zusammen mit seinen kreativen Mitstreitern traumhaft schöne Impressionen komponiert. Einen ganz eigenen Zauber entfaltet schon der Einstieg, der zunächst ein Unterwasserszenario zeigt, um dann Elisas morgendliche Routine einzufangen. Das detailreiche Szenenbild, in dem die Farbe Grün eine prominente Rolle spielt, ist ein echter Augenschmaus, während die Musik aus der Feder von Alexandre Desplat wunderbar ins Ohr geht. Kurzum: Seine 13 Oscar-Nominierungen hat sich del Toros Fantasy-Romanze redlich verdient.
Quelle: teleschau – der Mediendienst