Ein Genie, das nicht weniger als das Schicksal der Menschheit in der Hand hält: der Physiker J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy).
Cillian Murphy ist die perfekte Besetzung für den theoretischen Physiker J. Robert Oppenheimer, der als "Vater der Atombombe" in die Geschichte einging.

Oppenheimer

KINOSTART: 20.07.2023 • Drama • USA / UK (2023) • 180 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Oppenheimer
Produktionsdatum
2023
Produktionsland
USA / UK
Budget
100.000.000 USD
Einspielergebnis
942.806.065 USD
Laufzeit
180 Minuten

Filmkritik

Der Zerstörer der Welten
Von Christopher Schmitt

Ist die Rettung der Welt das Risiko wert, nur Asche und Staub zu hinterlassen? Für sein bislang wohl ambitioniertestes Projekt widmet sich Starregisseur Christopher Nolan dem Leben von J. Robert Oppenheimer. Das Biopic über den "Vater der Atombombe" inszeniert er als epischen Psychothriller.

Der Knopf ist gedrückt: Auf das gleißende Licht folgt der gigantische Feuerball, auf den Feuerball die Druckwelle. J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy) nimmt in seinem Bunker langsam die Schutzbrille ab und blinzelt seinem Werk entgegen. Er wirkt völlig überwältigt von der unbändigen Kraft, die seine Arbeit entfesselt hat. Am 16. Juli 1945 um 5:29:45 Uhr wird auf einem Testgelände in New Mexico die erste Atombombe der Welt gezündet, und die Zivilisation ist für immer eine andere. Die Explosion ist das Ergebnis eines moralischen Paradoxons: Muss man die Zerstörung der Welt riskieren, um sie zu retten? "Sie sind der Mann, der den Menschen die Macht gegeben hat, sich selbst zu vernichten", wird der dänische Physiker Niels Bohr (Kenneth Branagh) in Christopher Nolans neustem Meisterwerk "Oppenheimer" später zum tragischen Helden sagen.

Nolans hochkarätig besetztes Biopic, nicht weniger als ein exzellentes Psychothriller-Epos, erzählt die Lebensgeschichte des theoretischen Physikers Julius Robert Oppenheimer, der in den 1940er-Jahren das Manhattan-Projekt leitete – das geheime Atombomben-Programm der USA. Die vermeintliche Wunderwaffe sollte den Zweiten Weltkrieg zugunsten der Alliierten entscheiden. Oppenheimers Erfolg als "Vater der Atombombe" wurde zu seinem größten Fluch: Als der geniale Wissenschaftler sah, was seine wegweisende Forschung in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki anrichtete, sprach er sich gegen weitere Einsätze und ein nukleares Wettrüsten aus.

"Ich wollte das Publikum in die Gedanken und Erfahrungen einer Person hineinversetzen, die im absoluten Zentrum der größten Veränderung der Geschichte stand", so Nolan, einmal mehr Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, über seinen zwölften Spielfilm. "J. Robert Oppenheimer ist der wichtigste Mensch, der je gelebt hat" – und seine Geschichte muss von einem Starregisseur verfilmt werden, der wie kaum ein anderer Anspruch und Mainstream-Erfolg miteinander vereint. Als Vorlage für sein 100-Millionen-Biopic diente ihm das Buch "J. Robert Oppenheimer: Die Biographie" von Kai Bird und dem verstorbenen Martin J. Sherwin.

Das Gewissen lässt die Wände zittern

180 Minuten Laufzeit, Teile des Films wurden in IMAX-Schwarzweiß-Analogfilm aufgenommen, den Christopher Nolan speziell für "Oppenheimer" entwickeln ließ – der Kino-Fanatiker überlässt wie gewohnt nichts dem Zufall. Echter Sprengstoff kam zum Einsatz, Teile des prominenten Casts erfuhren erst bei Vertragsunterzeichnung, welche Rolle sie letztlich übernehmen würden. Hollywoods A-Liga um Matt Damon, Emily Blunt (stark als Oppenheimers Frau Kitty) und Robert Downey Jr. gibt sich die Klinke in die Hand. Außerdem dabei: Josh Hartnett, Rami Malek und Kenneth Branagh.

Allesamt machen sie ihre Sache hervorragend, doch Cillian Murphy ("Peaky Blinders") überragt sie in der Hauptrolle allesamt. Nolan zeichnet J. Robert Oppenheimer als facettenreichen Menschen und Murphy verkörpert diesen mit seinem ausdrucksstarken Blick jederzeit glaubwürdig: Querkopf, genialer Wissenschaftler, überforderter Ehemann und Familienvater – mit Frau Kitty als Gegenpart auf Augenhöhe -, zweifelnder Kriegsheld wider Willen.

Bei "Oppenheimer" stehen vergleichsweise einfache, aber wirkungsvolle Bilder im Vordergrund. Eingefangen wurden sie von Hoyte van Hoytema, der Kameramann wurde bereits für die Nolan-Filme "Interstellar" und "Tenet" mit dem Oscar ausgezeichnet. Ludwig Göransson – ebenfalls ein alter Weggefährte – unterstreicht mit seiner Musik die wichtigsten Momente und emotionalen Konflikte eindrücklich. Zu den beeindruckendsten Szenen gehören die, in denen Oppenheimers Gewissen sichtbar wird: Wenn er kurz nach Abwurf der Bomben etwa nach außen euphorisch vor einem Publikum spricht, das pflicht-patriotisch mit USA-Fähnchen wedelt, strahlt plötzlich der Saal, die Wände beben und ihre Gesichter verbrennen in der atomaren Hitze – wie jene in Hiroshima und Nagasaki.

Geopolitik im 20. Jahrhundert

Von "Memento" bis "Inception" spielte Nolan gerne mit den Grenzen des Storytellings. Für sein bislang wohl anspruchsvollstes Projekt ist er zwangsläufig an historische Zwänge gebunden. Seine eigene Handschrift bleibt dennoch klar erkennbar: Nolan teilt den Film in drei wechselnde, miteinander verwobene Erzählstränge ein.

Zum einen Oppenheimers Leben vor dem Abwurf der Atombomben, als er in Europa studierte und forschte, mit den größten Atom-Wissenschaftlern seiner Zeit in Kontakt kam sowie später an seiner eigenen Schule theoretische Physiker ausbildete. In einer vom Spanischen Bürgerkrieg gekennzeichneten Zeit sympathisierte der US-Amerikaner deutsch-jüdischer Abstammung mit kommunistischen Ideen, was ihm später zum Verhängnis werden sollte.

Den größten Teil des Films nimmt das Manhattan-Projekt ein, von den USA ins Leben gerufen, um das atomare Wettrennen gegen das Dritte Reich für sich zu entscheiden. Trotz gewisser Vorbehalte entschließt sich der militärische Leiter, Lieutenant Leslie R. Groves (Damon), für den theoretischen Physiker als Mastermind: Die beiden rekrutieren die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Landes und – falls möglich – darüber hinaus und stampfen mitten im Nirgendwo Los Alamos aus dem Boden: ein eigenes Städtchen für die Mitarbeitenden des Projekts.

Die zweite Zeitachse ist durch die sogenannte McCarthy-Ära nach dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet. Manischer Antikommunismus hatte in den 50er-Jahren in den USA Hochkonjunktur und Oppenheimer musste sich in monatelangen Anhörungen vor der United States Atomic Energy Commission (AEC) zu seiner Loyalität verantworten, viele alte Weggefährten sagten aus. Ein dritter Erzählstrang bezieht sich auf Oppenheimers persönlichen wie politischen Konflikt mit Lewis Strauss (Robert Downey Jr.), einem konservativen Politiker, der eine alte Demütigung durch den Physiker nie überwunden hat und den Bau der noch verheerenderen Wasserstoff-Bombe befürwortete.

Der amerikanische Prometheus

Die theoretische Entwicklung einer solch tödlichen Waffe ist nüchterne Wissenschaft, die zugehörigen moralischen Fragen hingegen sind regelrecht philosophisch – und das Publikum muss sie sich zwangsläufig selbst stellen: Kann die Gefahr, die diese Bombe ausstrahlt, Frieden sichern? Wird ihr Einsatz mehr Leben retten als auslöschen? Der Verweis auf die Geschichte des Prometheus zu Beginn des Films kommt nicht von ungefähr: Der griechische Titan stahl den Göttern das Feuer und brachte es den Menschen. Der Preis? Scheinbar unendliche Qualen.

Über allem steht der Zweifel, das Richtige zu tun. Doch: "Wir haben keine andere Wahl", sagt Oppenheimer. Selbst, wenn der Brand der gesamten Erdatmosphäre mathematisch nicht auszuschließen ist. Nach dem Abwurf in Japan wird aus Zweifel quälende Gewissheit: Diese Waffe hat das Potenzial, die Menschheit zu vernichten. Oppenheimer selbst zitierte im Jahr 1965 in einem Interview aus der Bhagavad Gita, einer zentralen heiligen Schrift des Hinduismus: "Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten." Den Kinosaal verlassen Zuschauerinnen und Zuschauer etwas geplättet und mit der düsteren Erinnerung daran, dass unser Ende nur einen Knopfdruck entfernt ist.

Oppenheimer, im Kino ab: 20.07.2023


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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